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Geld-Transport

(von Julian)
„Julian!“ ertönt ein Ruf aus dem Büro von Katrin. Als ich meinen Kopf zur Tür rein strecke meint sie, über einen Haufen Spenden von einer kanadischen Reisegruppe gebeugt: „Wir fahren Geld holen. Du bist heute mein Bodygard!“
Aha! – Vor mir sehe ich coole Kerle in schwarzen Anzügen mit Knopf im Ohr und einer vollautomatischen Maschinenpistole in der Hand – eben genau wie die Typen, die hier bei AMPO auf den Dächern saßen, als Madame Chirac zu Besuch war. Gerade gestern hatte Katrin davon erzählt.
Nun bleibt es leider bei kurzer Hose von H&M und typisch für alle Weißen hier – einem etwas verschmuddelten T-Shirt. – Wie sich die Afrikaner immer so blitzsauber halten ist mir auch nach drei Monaten noch ein Rätsel.
Dafür bekomme ich Verstärkung in Form meiner afrikanischen Kollegen Monsieur Aziz und Monsieur Ernest.
Die beiden gehen auf der Ladefläche von Katrins Pick-Up in Stellung während ich mich direkt neben die „VIP“ setze.
Zu viert machen wir uns auf in die Innenstadt Ouagadougous, um eine, für hiesige Verhältnisse, beachtliche Menge an Bargeld abzuholen.
Durch das Rückfenster der Fahrerkabine ist es mir gestattet ständigen Kontakt zu meinen beiden Kollegen zu halten.
Die Lage ist ruhig, – wir drei Bodygards haben alles im Griff.
Beim Geldinstitut angekommen, nehmen wir letzte Instruktionen von unserer Chefin an.
Wir haben das Auto und dessen Umgebung im Auge zu behalten und verdächtige Personen, die dort herumlungern zu beobachten.
Katrin macht sich mit einer schwarzen Tasche auf den Weg in das Gebäude.
Leider haben meine beiden Kollegen schnell den Duft der Straße, ihrer ehemaligen Heimat, geschnuppert und unterstützen ihren armen weißen Kollegen tatkräftig, indem sie Horden von Straßenverkäufern auf Moré heranrufen und mich gemeinsam mit ihnen zu überzeugen versuchen doch unbedingt die Raubkopie einer amerikanischen POP-Ikone zu kaufen. Schließlich bin ich ein Nassara, ein Weißer und habe viel Geld.
Die Lage wird etwas unübersichtlich, wie ich da im Pick-Up sitze, durch das offene Fenster und der Ladefläche von vielen, vielen Menschen in bunten Kleidern lautstark diverse Produkte angepriesen bekomme.
Antwortet man auf die Frage, ob man eine Handykarte kaufen möchte, dass man kein Handy hat, sagt der Kartenverkäufer man möge doch einen Moment warten, er hätte da einen Freund und würde schnell eins besorgen. Nach dutzenden Smalltalks dieser Art und nachdem ich vom T-Shirt über einen Ghettoblaster bis zur Bronzefigur alles angeboten bekommen habe, taucht Katrin wieder auf und wirft die schwarze Tasche auf meinen Schoß, ich möge sie hinter dem Rücksitz verstauen.
„So, alles fertig? Kinder hinten drauf? – Ach Julian, weißt Du eigentlich, dass Bananen das Beste sind?“ Spricht sie und kauft noch schnell vier Bananen aus einem Bastkorb, den ein junges Mädchen, gekleidet im orangen Festtagsgewand des achten März, dem Tag der Frau, vor mein Fenster hält.
Zwei davon wandern natürlich gleich nach hinten auf die Ladefläche, wo sich meine
„Verräter-Kollegen“ darüber hermachen.

Auf dem Rückweg irgendwo in den Straßen im Stadtzentrum klingelt Katrins Handy. Und natürlich befindet es sich in der schwarzen Tasche mit den gebündelten Zehntausendernoten Hinter Katrins Sitz.
Julian, der professionelle Bodygard, greift professionell hinter den Sitz und zieht die Tasche nach vorne. Dabei entleert sich der gesamte Inhalt äußerst unprofessionell über seinen Schoß und in den Fußraum des Beifahrersitzes. Katrin wirft einen kurzen Blick auf das Malheur und lächelt nur. Viel Aufmerksamkeit kann man als Fahrer im Straßenverkehr von Ouaga dem Innenleben eines Autos nicht schenken.
Zu allem Überfluss springt im selben Moment die vor uns liegende Ampel auf rot um.

Eine absurde Situation. Ich sitze mit Bargeld überhäuft in der Haupstadt eines der ärmsten Länder der Welt auf dem Beifahrersitz eines weißen Pick-Ups mit einigen Millionen CFA überhäuft. Keine zwei Meter entfernt stehen Straßenverkäufer und Bettler die vielleicht drei- oder vierhundert CFA am Tag verdienen. Wenn die wüssten was sich da im Fußraum des Autos mit offenem Fenster befindet…
Sie wissen es nicht.
Nach kurzem Bangen zeigt die Ampel wieder grünes Licht, wir fahren los und ich beginne das Geld in die Tasche zu stopfen.
Werde mir das mit der Berufslaufbahn als Bodygard noch mal überlegen.

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