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Bunte Menschen und unvergessliche Momente

Freiwilliges Soziales Jahr bei Sahel e.V. – Meine Zeit bei AMPO

Teil 1: Die erste Woche bei AMPO

Faszinierende Aussicht auf die Wüste beim Flug

Mein Name ist Katharina Iwen und ich absolviere seit September diesen Jahres mein Freiwilliges Soziales Jahr beim Sahel e.V. Dazu gehört, dass ich einen Monat lang in Burkina Faso verbringen werde, um mich mit dem Land, den Menschen und der Arbeit in den Einrichtungen von AMPO vertraut zu machen.

Als ich meinen Reisepass und mein Visum beisammen hatte, konnte es endlich losgehen. An einem Samstag mache ich mich mitten in der Nacht auf den Weg zum Hamburger Flughafen. Ab Brüssel fliege ich zusammen mit Andrea Reikat, der Projektkoordinatorin von AMPO. Unterwegs bestaune ich die Wüste von meinem Fensterplatz aus. Als wir nach ein paar Stunden am Flughafen in Ouagadougou ankommen, schlägt mir die Hitze Afrikas entgegen und ich mehme zum ersten Mal den unverwechselbaren Geruch eines Landes wahr, welches so ganz anders ist, als meine Heimat. Als wir AMPO erreichen, gibt es eine kleine Vorstellungsrunde und anschließend sitzen wir noch zusammen und trinken Hibiskussaft. Ich lasse meine ersten Eindrücke Revue passieren und bin mir sicher, dass ich eine unvergessliche Zeit haben werde.

Am nächsten Morgen besuchen wir die Mädchen von AMPO und werden mit Trommeln und Gesang empfangen. Aufgeregt und fröhlich zeigen sie mir ihre Zimmer. Ich bin erstaunt über ihre Herzlichkeit, sie empfangen mich mit offenen Armen und ich fühle mich sofort wohl bei ihnen. Wir haben uns vom ersten Augenblick an lieb gewonnen. Später wird getanzt und es dauert nicht lange, bis auch ich auf die Tanzfläche gezogen werde und mich dem Rhythmus der Musik hingeben muss. Ich glaube alle Afrikaner können tanzen, es liegt ihnen im Blut. So kommt es mir jedenfalls immer vor.

Nachmittags gehen wir zu den Mitarbeitern von „OneDollarGlasses“, die zu erschwinglichen Preisen Brillen herstellen. Sie schaffen es, mit nur einem Draht, ein ganzes Brillengestell herzustellen. Dazu benutzen sie ein selbsthergestelltes Gerät, mit dem sie den Draht in die gewünschte Form bringen können. Ich schaue mir ihre Arbeit an und versuche ihr burkinisches Französisch zu verstehen. Es ist gar nicht so einfach, aber verständigen können wir uns trotzdem. Wir lachen viel und ich lerne mein erstes Wort auf More, eine der Sprachen in Burkina Faso. Vor der Werkstatt spielen ein paar jüngere Kinder. Sie laufen barfuß und können tolle Kunststücke. Auf den Händen laufen und Saltos in der Luft sehen bei ihnen ganz einfach aus. Daneben sitzen zwei kleine Mädchen auf dem Boden und spielen mit bunten Steinen. Als sie mich entdecken, geben sie mir schüchtern ihre winzigen Hände und zeigen mir ihr Spiel.

Am Montag treffe ich Marthe, eine Verwaltungsassistentin von AMPO. Wir besprechen ein paar Dinge und ich überarbeite meine Pläne für diesen Monat. Ich habe noch sehr viel vor. Zusammen packen wir meinen großen Koffer aus, in dem sich unter anderem noch einige Geburtstagsgeschenke der Pateneltern für die Kinder von AMPO befinden. Ich bin gespannt, ob es ihnen gefallen wird. Am Abend esse ich zusammen mit den Jungen von AMPO. Sie sind etwas zurückhaltener als die Mädchen, aber nachdem das Eis gebrochen ist, wird wieder viel gelacht und ich beantworte die zahlreichen Fragen der Kinder. Besonders meine Sommersprossen und meine Dreadlocks bekommen viel Aufmerksamkeit. Sie sind alle so fasziniert von Deutschland, wie ich fasziniert von ihrem Land bin.

Später sitze ich zum ersten Mal hinten auf einem Motorrad und lasse mir von einem AMPO-Mitarbeiter die Stadt zeigen. Er erzählt mir viel von seiner Arbeit, was ich sehr spannend finde. Er versteht die Kinder gut, denn auch er war früher einmal ein AMPO-Junge. Wir fahren durch den Abend und ich entdecke zahlreiche Dinge, die ich unbedingt fotografieren muss. Leider ist es jetzt schon viel zu dunkel. Auf den roten Straßen herrscht ein reges Treiben, denn überall gibt es kleine Läden, zahlreiche Verkaufsstände am Straßenrand und Menschen in bunten Kleidern. Nur Verkehrsregeln sind scheinbar nicht existent. Es gibt eine Ampel, aber mehr ist mir noch nicht begegnet. Jeder fährt, wie es ihm gefällt.

Einen Tag später besuchen wir vier Dörfer in der Nähe von Ouagadougou. Diese Dörfer werden durch das Projekt Tondtenga betreut. Das Auto holpert nur so über die ländlichen Straßen und ich bin erstaunt, dass der alte Wagen das noch aushält. Im Gegensatz zur Stadt drängt sich hier nicht alles dicht an dicht. Überall nur Natur, es ist Afrika wie aus einem Bilderbuch. Auf der Fahrt winken uns viele kleine Kinderhände zu, anscheinend fährt hier nicht alltäglich ein Auto mit fremden Menschen entlang. Als wir im ersten Dorf ankommen, werden wir wieder mit Musik begrüßt. Rhythmisch begleiten die Frauen ihren Gesang mit den Händen und bieten uns etwas zum Trinken an. Wir begutachten die Entwicklung des Dorfes und ich halte einige Momente mit meinem Fotoapparat fest. Die Bewohner führen hier ein sehr einfaches Leben. Landwirtschaft und Viehzucht spielen eine besonders große Rolle. Es ist weit entfernt von dem Leben, was ich in Deutschland habe und doch erzählt man mir, dass es große Fortschritte gegeben hat. Zum Abschied bekommen wir zwei lebende Hühner, eine Art süßen Brei und einen großen Hut geschenkt.

Mein absolutes Highlight an diesem Tag sind die Krokodile. Ich habe noch nie eines dieser Tiere in freier Wildbahn gesehen. Doch jetzt habe ich endlich die Chance dazu, denn wir besuchen ein Gebiet in dem sie leben. Hier in Burkina sind sie heilig. Mit einem erfahrenen Guide darf ich ganz nahe zu den Krokodilen gehen und sie sogar berühren. Er hat einen großen Stock bei sich und scheucht einige der Tiere ins Wasser. Fast trete ich auf eines drauf, es liegt ganz versteckt in einem niedrigen Gestrüpp, sodass man es kaum sehen kann. Ihre Haut fühlt sich hart an, aber doch irgendwie lebendig. Es sind wirklich sehr interessante Tiere.

Nun bin ich schon eine ganze Woche hier und ich merke, wie mir meine neue Umgebung immer vertrauter wird. Noch vor ein paar Tagen lag ich abends im Bett und konnte nicht einschlafen, da die fremden Geräusche der Straße mich wach hielten. Jetzt kommt es mir so vor, als ob es schon immer so gewesen ist. Auch die Sprache fällt mir zunehmend leichter und ist in so kurzer Zeit schon fast selbstverständlich geworden. Kein Wunder, denn Deutsch spreche ich nun fast gar nicht mehr. Trotzdem begegne ich jeden Tag neuen unbekannten Dingen. Besonders gut gefallen mir die vielen Geckos, die überall auf den Mauern und Wänden zu finden sind. Die Abende verbringe ich gerne in Gesellschaft, so lerne ich viel über die Kultur und die Menschen kennen. Es überrascht mich immer wieder, wie unterschiedlich und ähnlich zugleich wir doch alle sind. Zwischen uns liegen Welten und trotzdem entdecke ich hinter all den Unterschieden Menschen, die so sind wie ich. Menschen, die, tief in ihrem Innern, meine Gedanken, Vorstellungen und Träume teilen. Ich denke, im Grunde streben wir alle nach etwas im Leben, nicht nach Geld, oder Macht, es ist etwas, was noch viel tiefer in uns verankert ist und über das normale Maß unserer Bedürfnisse hinausgeht. Das ist es, was uns verbindet und den wahren Kern unseres Selbst ausmacht.

Das Wochenende verbringe ich mit den Mädchen. Jetzt habe ich die Gelegenheit, sie alle besser kennenzulernen. Wie schon beim ersten Mal werde ich stürmisch und freudig begrüßt und jede kann sich noch an meinen Namen erinnern. Da habe ich es etwas schwieriger, am Ende des Tages kann ich sie immer noch nicht alle. Zum Mittag gibt es Reis mit Soße. Besonders die Erzieher machen sich große Sorgen, ob es mir auch schmecken würde. Wie es sich herausstellt, sind die Sorgen unbegründet, denn das Essen schmeckt mir wirklich gut. Zum Glück, denn das ist eines der häufigsten Gerichte bei den Kindern, welches es mehrmals in der Woche gibt. Reis mit Soße, Reis mit Fisch, Reis mit Bohnen, oder eben nur Reis. Manchmal gibt es auch Nudeln. Nur mit einer ganz bestimmten Soße aus den Blättern des Baobab Baumes kann ich mich nicht anfreunden. Den Geschmack finde ich nicht schlecht, aber die Konsistenz erinnert mich eher an einen überbackenen Käse mit besonders langen Ziehfäden.

Während wir an den Tischen sitzen, kommt ein Mädchen zu mir und singt ein Lied für mich. Anschließend wird noch mehr für mich gesungen und ich bin so gerührt, dass ich natürlich auch ein Lied für die Mädchen singen möchte. Es wird ganz still um mich herum und als ich fertig bin, sind alle ganz begeistert von dem Lied. Sie wollen es sofort lernen. Es ist ein wirklich schweres Lied von Whithney Houstan, aber wir sind so motiviert, dass wir es unbedingt ausprobieren müssen. Schnell werden Zettel und Stifte besorgt und ich beginne, den Songtext aufzuschreiben. Danach folgt eine etwas trockene Arbeit, denn zuerst muss jede den englischen Text sprechen können. Wir versuchen es wieder und wieder und schließlich funktioniert es. Ich bin schon jetzt ganz stolz. Anschließend beginnen wir damit unsere Stimmen aufzuwärmen. Einige Übungen sind sehr lustig, aber führen schon nach den ersten Malen zu einer deutlichen Verbesserung. Endlich ist es soweit und wir wagen uns an das Lied. Ich bin sehr überrascht von der unbändigen Freude und dem Elan der Kinder am Singen. Wenn ich nicht gerade das Lied Strophe für Strophe durchgehe, dann gönne ich meinen Stimmbändern eine kleine Pause und höre ihnen zu. Es klingt nicht perfekt, aber genau darin besteht der Reiz des Zuhörens. Effektvoll abgestimmte Töne würden niemals das Feuer eines Musikers ersetzen können, der mit dem Herzen musiziert. Es geht nicht um Perfektionismus, sondern um Leidenschaft und davon haben die Kinder mehr als genug, zumal viele sehr begabt sind und ihnen in Sachen Rhythmus keiner etwas vormachen kann. Wir singen bis es schon längst dunkel ist und es Zeit wird ins Bett zu gehen. Am nächsten Tag wollen wir weitermachen. Vor dem Schlafengehen schreibe ich noch zwei weitere Lieder auf. Ein deutsches und ein englisches Lied.

Pünktlich nach dem Frühstück beginnen wir fleißig weiter zu üben. Bereits um 5 Uhr morgens werde ich von hellen Stimmen vor meiner Tür geweckt. Lange schlafen konnte ich nicht, aber dafür sind wir fast schon ein richtiger a capella Chor. Ich lerne französische Lieder kennen und sogar eins auf More. Die unbekannten Wörter lesen sich anfangs wie ein Zungenbrecher und lösen oftmals den einen oder andern Lacher aus. Wir haben viel Spaß und wenn sich die Gelegenheit bietet, geben wir kleine Vorstellungen. Uns zu überhören ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.

In der nächsten Woche fahre ich mit Marthe zu einem großen Handwerksmarkt in Ouagadougou. Wir sind auf der Suche nach neuen Waren für die Geschäftsstelle in Plön. Schon beim Betreten des Marktes nehme ich den Geruch von Farbe und Stoff wahr. Es gibt mehrere Gebäude, aber einige Waren werden auch draußen angeboten. Zuerst machen wir uns auf den Weg zu den Schmuckständen. Hier scheint es wirklich alle Arten von afrikanischen Ketten und Ohrringen zu geben. Sie hängen dicht an dicht an den Wänden und sind oftmals bis unter die Decke aufgereiht. Es ist herrlich bunt, aber leider auch sehr heiß. Die Hitze hält mich jedoch nicht davon ab, den künstlerischen Flair zu genießen und die ganzen Kunstwerke zu bestaunen. Wir sind früh am Morgen losgefahren, aber trotzdem zeigt das Thermometer jetzt schon über 30 Grad an. Marthe scheint keine Probleme mit den hohen Temperaturen zu haben. Wir kommen vorbei an Tüchern, Kleidern, Bronzefiguren, Holzarbeiten und vielen anderen schönen Dingen. Besonders die Bogolan Decken gefallen uns sehr und wir bestellen gleich ein paar. Danach geht es weiter zu den Batik-Bildern, hier ist die Auswahl besonders schwer. Es gibt sie in allen Farben und Größen. Wir sitzen lange auf dem Boden und wühlen uns durch die schönsten Bilder. Nach einer halben Ewigkeit haben wir es dann endlich geschafft und machen uns auf den Rückweg.

Was für spannende Erlebnisse … mal sehen, was mich in Burkina Faso noch erwartet

Katharina Iwen


Teil 2

Bisher durfte ich alle AMPO-Einrichtungen kennenlernen, nur das „Haus Linda ⇑“ fehlt mir noch. Bis jetzt. Am Dienstag kann ich dort ein bisschen mithelfen. Diese Einrichtung ist für Mütter mit unterernährten Kindern. Sie treffen sich einmal in der Woche und werden betreut, bis die Kinder wieder normalgewichtig sind. Als ich um 8 Uhr ankomme, sind bereits drei Frauen da. Es gibt einen kleinen Raum mit Decken zum Liegen und ein paar Bänke. Die Betreuerin begrüßt mich freundlich und zeigt mir, wie man einen besonders nahrhaften Brei für die Kinder zubereitet. Sie vermischt ein Pulver in einem wirklich sehr großen Topf mit heißem Wasser und rührt so lange, bis der Brei die richtige Konsistenz hat. Ich glaube, es ist der größte Topf, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Als er abgekühlt ist verteilen wir ihn an die Frauen. Langsam füllt sich der Raum, bis jeder Platz besetzt ist. Nach dem Essen können sich die Mütter ausruhen, oder sich mit ihren Kindern beschäftigen. Die meisten sind noch ganz klein und fangen erst an zu laufen. Einige betrachten mich mit einer Mischung aus Argwohn und Neugierde und lugen immer wieder hinter ihren Müttern hervor. Andere kommen sofort zu mir und geben mir ihre Hände. Sie sind wirklich sehr süß.

Anschließend gehen wir alle nach draußen und ich mache auf Wunsch der Betreuerin ein Gruppenfoto. Ich nutze gleich die Gelegenheit, um auch mit meiner Kamera ein Bild zu schießen. Danach gehen wir wieder hinein und bereiten eine Mahlzeit für die Frauen zu. Nachdem jede ihre Portion bekommen hat, können die Mütter das Essen mit nach Hause nehmen. Sie tragen es in großen Dosen auf dem Kopf und ihr Kind auf dem Rücken. Nächste Woche kommen sie wieder, dann werden die Kinder gewogen und gemessen, um ihren Gesundheitszustand und ihre körperliche Entwicklung zu kontrollieren. Später versuche ich auch etwas auf meinem Kopf zu transportieren. Leider erfolglos, aber meine Zuschauer haben sich gut amüsiert.

Einen Tag später bin ich von morgens bis abends unterwegs. Zusammen mit Frau Reikat und ein paar Praktikanten mache ich mich auf den Weg zu Mia/Alma ⇑. Bei Mia/Alma finden verstoßene, traumatisierte und HIV-positive Mädchen ein zu Hause. Die meisten von ihnen haben eine schreckliche Vergangenheit. Hier werden sie bis zu drei Jahre betreut und auf eine gute Zukunft vorbereitet. Hierbei spielt auch Bildung eine große Rolle. Sie erhalten zudem Aufklärungsunterricht und werden so vor den schlechten Einflüssen ihres alten Lebens geschützt.

Da wir nicht alle ins Auto passen, müssen einige von uns hinten auf der Ladefläche mitfahren. Wie erwartet sind diese Plätze am begehrtesten und natürlich möchte auch ich diese Gelegenheit nicht verpassen. Die Fahrt ist sehr abenteuerlich. Bei jeder Unebenheit auf dem Boden macht mein Herz einen kleinen Satz, leider besteht gefühlsmäßig der gesamte Boden außerhalb Ouagadougous aus einer einzigen großen Unebenheit. Selbstverständlich bleiben wir auch nicht unentdeckt, gerade in der Stadt ernten wir viele Blicke und Pfiffe. Dabei finde ich, dass die Straßen noch einiges mehr an kuriosen Attraktionen zu bieten haben. Die Menschen scheinen hier wirklich alles auf ihren Fahrzeugen zu transportieren und nichts ist zu groß. Einmal fährt ein Mann auf einem Motorrad an uns vorbei. Auf seinem Schoß transportiert er eine Ziege und eine Melone und als ob das noch nicht genug wäre, hat er hinter sich einen riesigen Berg an Autoreifen aufgestapelt. Wie er das wohl macht?

Völlig verschwitzt, mit hoffnungslos verwirrten Haaren und Sand zwischen den Zähnen kommen wir schließlich an. Mit der Musik zur Begrüßung habe ich diesmal schon gerechnet. Zuerst besichtigen wir die Schneiderei. Einige der Mädchen und jungen Frauen machen hier eine Ausbildung, während andere zur Schule gehen. Danach schauen wir uns die Wohnungen an. Ich bin ganz entzückt von den kleinen runden Hütten in leuchtendem Orange. Viel Platz gibt es dort nicht, aber dafür ist es drinnen angenehm kühl und bei der Wärme verbringt man sowieso die meiste Zeit des Tages draußen. Auch die Küche befindet sich auf einem terrassenähnlichen Platz. Hier sitzt ein Mädchen auf einem Hocker und bearbeitet ein sehr großes Stück Fleisch. Sie ist freundlich und fragt mich, warum ich ihre Arbeit so interessant finde. Ich erzähle ihr, dass ich in Deutschland ein bisschen anders koche und meistens nur eine Portion für mich, da ich alleine wohne. Sie ist überrascht und fragt mich, ob ich so alleine keine Angst habe. Sie erklärt mir, dass dies für die Menschen in Burkina sehr ungewöhnlich ist. Hier lebt man sein ganzes Leben mit der Familie zusammen und das ist gut so, denn die Familie bietet Schutz und Geborgenheit. Sie ist der ganze Stolz. Alle Altersgruppen sind vertreten und unterstützen sich gegenseitig. Ich nehme mir vor, mehr über das Zusammenleben und die Gemeinschaft in Erfahrung zu bringen. Jetzt geht es aber erstmal weiter zu dem integrierten Kindergarten auf Mia/Alma, denn hier gibt es auch ein paar junge Mütter. Dort lerne ich eine liebevolle Mama mit ihrem kleinen Baby kennen. Sie wirkt fast selbst noch wie ein Kind, mit ihrer zaghaften und jugendlichen Art. In ihrem Blick sehe ich aber so viel Zärtlichkeit und Hingabe für ihren Schützling, dass ich meine, tief hinter ihren Augen eine stolze und verantwortungsbewusste Frau zu entdecken. Leider spricht sie kein Französisch und mein More beschränkt sich auf ein paar Wörter und Lieder, die ich seit meiner Ankunft in Ouagadougou gelernt habe. Zum Glück hilft uns eine zweisprachige Erziehrein und so können wir uns ein bisschen unterhalten.

Ein kleiner Junge und seine Spielgefährtin haben es mir besonders angetan. Ohne Scheu springen sie um mich herum und ziehen mich zu ihrem Lieblingsplatz. Berührungsängste kennen sie nicht. Vergnügt pflücken sie von einem Baum fast alle Blüten und versuchen mir jede Einzelne auf einmal in meine Haare zu stecken. Kichernd sammeln sie die heruntergefallenen Blumen auf und schmücken einen alten Teddy. Sie haben so viel Freude an ganz einfachen Dingen. Besonders begeistert sind sie von meiner Kamera. Verwundert schauen sie dabei zu, wie ich Fotos von ihrem Spielzeug mache und klatschen jedes Mal vor Begeisterung. Ich würde gerne noch länger bleiben, aber jetzt müssen wir weiter.

Der Tag ist noch nicht vorbei. Nächster Halt: Tondtenga

Hier werden Jungs aus den umliegenden Dörfern von Ouagadougou in Landwirtschaft und Viehzucht ausgebildet. Nach zwei Jahren nehmen sie ihr Wissen in ihre Dörfer mit und können es an ihre Mitmenschen weitergeben und umsetzen. Schon aus der Ferne kann ich den großen Baobab Baum erspähen, welcher sich auf der Farm befindet. Ich habe noch nie einen so schönen Baum gesehen, diese Art gehört ab jetzt zu meinen Lieblingen. In einem mittelgroßen Gebäude gibt es Unterrichtsräume für die Lehrlinge von TondTenga. Sie lernen in zwei Jahren alles, was ein guter Farmer wissen muss. Kurz schauen wir dem Lehrer und seinen Schülern zu, bevor wir aus dem stickigen Raum nach draußen flüchten. Natürlich lernen die Jungen auch die Praxis kennen, aber theoretischer Unterricht ist ebenfalls sehr wichtig.

Als nächstes machen wir einen Rundgang und schauen uns alle Pflanzen und Tiere an. Ein Mitarbeiter führt uns herum und beantwortet jede von unseren Fragen. Er warnt mich vor den vielen Schlangen, die sich überall verstecken können. Ich soll vorsichtig sein und mich nicht zu weit von der Gruppe entfernen, denn vor einer großen Menschenmenge haben die Schlangen Angst. Das finde ich schade, denn ich würde gerne eine sehen. Er verspricht mir, dass wir später zu zweit auf die Suche gehen werden. Zuerst beenden wir aber unsere Besichtigung. Es gibt typische Bauerhoftiere, aber auch ein paar exotische Exemplare. Besonders gerne habe ich die Schildkröten.

Als wir fertig sind, machen wir eine Pause und trinken Tee. Sichtlich erschöpft vom Laufen und der Hitze sind wir froh, als wir uns endlich ausruhen können. Gespannt warte ich auf unseren Führer, der schon seit 15 Minuten verschwunden ist. Als er zurückkommt, trägt er mit zwei Jungen einen großen Eimer und erzählt mir, dass sich darin meine Schlangen befänden. Er öffnet den Deckel und mir strömt ein fauliger Geruch entgegen. Es erinnert mich an vergammelte eingelegte Gurken mit einem Hauch von Verwesung. Eine Sekunde später verstehe ich auch warum, denn diese Tiere sind schon lange nicht mehr lebendig. Ich bin etwas enttäuscht, aber so habe ich wenigstens die Gelegenheit, sie mir ganz genau anzuschauen. Jetzt wird es Zeit für den Heimweg. Wir verabschieden uns von Tondtenga und fahren zurück zu AMPO. Als wir ankommen ist es längst dunkel geworden. Jeden Abend sinkt die Sonne pünktlich um 17 Uhr und dann dauert es nicht lange, bis es ganz finster ist. Sterne kann ich wegen dem Staub in der Luft kaum erkennen, dabei erzählt man mir, dass die Nächte außerhalb der Stadt wunderschön seien.

Am nächsten Tag sind meine Zimmernachbarn und ich bei den Mädchen zum Tanzen eingeladen. Da Wochenende ist, haben wir viel Zeit. Am Vormittag räumen wir alle Tische und Bänke zur Seite und bauen eine Bühne für die Musiker. Als sich alle eingefunden haben, kann es losgehen. Langsam füllt sich die Tanzfläche. Wir finden uns in einem Kreis zusammen und werden immer ausgelassener. Anschließend sitzen wir noch lange zusammen und singen uns gegenseitig Lieder vor. Wir machen viele Fotos und albern herum. Es ist ein sehr gelungener Tag, an den ich mich hoffentlich immer erinnern werde.

Zwei Tage später lerne ich Madame Barbara kennen. Ich habe schon viel von dieser Frau gehört. Sie besucht Schulen in Ouagadougou und macht Aufklärungsunterricht in den einzelnen Klassen. Einen Tag lang darf ich sie begleiten. Heute ist „die Regelblutung der Frau“ das Thema. Madame Barbara erzählt mir, dass viele Mädchen in der Pubertät nicht über die Vorgänge in ihrem Körper Bescheid wissen, da über solche Dinge nur äußerst ungern geredet wird. Folglich wissen viele Jugendliche nicht, dass sie eigentlich ganz normal sind und sich keine Sorgen zu machen brauchen, wenn sie Veränderungen an sich selbst feststellen. Weitere Themen sind Sexualität, die Übertragung von Geschlechtskrankheiten, sowie Verhütung. Die Klassen sind sehr groß mit über 40 Schülern. Mir fällt auf, dass das Alter in einem Jahrgang sehr unterschiedlich ist. Als wir das Zimmer betreten werde ich von den Schülern aufgeregt gemustert. Einige wollen sogar ein Foto mit mir machen. Madame Barbara stellt mich kurz vor und beginnt mit ihrem Unterricht. Sie ist eine sehr taffe Frau und die Kinder haben Respekt vor ihr. Trotzdem ist sie freundlich und geduldig. Sie erklärt anschaulich, zeigt viele Bilder und stellt Fragen, so ist jeder aktiv mit eingebunden. Am Ende bekommt jeder zur Belohnung einen Bonbon.


Teil 3:

Bald bin ich nur noch eine Woche in Burkina Faso, die Zeit ist so unfassbar schnell vergangen. Heute besuche ich zusammen mit Eduard, dem Leiter der Handicap-Projekte ⇑, eine Stadt namens Tiébélé. Wir wollen Einzelteile für Rollstühle dorthin bringen, denn in dieser Gegend wohnen viele Menschen mit einer Behinderung. Eduard ist ein faszinierender Mann und gehört zu den glücklichsten Menschen, die mir je begegnet sind. Wenn ich ihn sehe, hat er immer ein breites Lächeln im Gesicht. Er sitzt auch im Rollstuhl, aber scheint damit überhaupt kein Problem zu haben. Ganz leicht kommt er mit seinem Gefährt überall hin und hat alles im Griff. Wenn es um Menschlichkeit geht, ist er ein ganz großes Vorbild. Er hat eine Werkstatt bei AMPO, in der Rollstühle selbst repariert werden können. Dazu gibt es die Werkstatt auch noch in mobiler Form und natürlich den Ort, an dem sie hergestellt werden.

Die Autofahrt dauert sehr lange, denn wir fahren über 5 Stunden. Ich bin sehr beeindruckt von der Landschaft. Als mir der Fahrer erklärt, dass wir es bald geschafft haben, bin ich erleichtert. Leider habe ich mich zu früh gefreut, denn nur kurze Zeit später macht der Wagen komische Geräusche und bleibt einfach stehen. Mitten auf einer Straße im Nirgendwo. Zum Glück gibt es ein paar Meter weiter einen großen Platz in der Nähe einer Tankstelle. Wir schieben den Wagen von der Straße und öffnen die Motorhaube. Zwei freundliche Männer kommen uns zur Hilfe und zusammen sehen sie sich das Innere des Autos an. In der Zwischenzeit kann ich mich nicht entscheiden, ob ich lieber im überhitzten stickigen Auto, oder in der prallen Mittagssonne verweilen möchte. Trotz Sonnenhut und großer Sonnenbrille machen mir die Temperaturen sehr zu schaffen. Wir müssen über zwei Stunden warten, bis der Wagen endlich anspringt. Der Motor hatte anscheinend das gleiche Problem mit der Hitze wie ich.

Endlich angekommen finden wir uns mit den Menschen, die ein Teil von Eduards Projekt, oder selbst betroffen sind, zu einer großen Runde zusammen. Es wird viel auf More gesprochen und da ich nichts verstehe, fühle ich mich ein bisschen unbrauchbar und helfe lieber beim Zusammenschrauben von ein paar Einzelteilen. Die Rollstühle sehen hier ein bisschen anders aus, da sie den entsprechenden Bedingungen in Burkina Faso angepasst wurden. Sie haben drei Räder und man bewegt sich Vorwärts, indem man am Lenker kurbelt. Man kann leichter über unebenen Boden fahren, oder auch Dinge hinten transportieren. Insgesamt war es ein sehr gelungener Tag und ich freue mich, dass ich etwas von Eduards großartiger Arbeit sehen durfte. Die Rollstühle können ein ganzes Leben verändern ⇑ und geben Menschen mit einer Behinderung die Chance, mehr Freiheit zu haben und aktiv am Leben teilzunehmen. Ich bewundere dieses Projekt zutiefst und hoffe, dass dies auch in Zukunft möglich sein wird.

Nächste Woche fliege ich schon wieder zurück nach Deutschland. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich schon fast einen ganzen Monat hier bin. Zunächst gehe ich aber mit dem CinéMobil auf Tour. Das Projekt besteht aus der Leiterin Hedwige Oueadraogo und drei aktiven Mitarbeitern, die mit einem Auto durch verschiedene Dörfer fahren und Aufklärungsfilme zeigen. Familie, Hygiene, Aufklärung und Frauenrechte sind die wichtigsten Themen. Drei Tage werde ich mit ihnen fahren und ohne Strom und fließendes Wasser leben.

Schon früh am Morgen geht es mit vielen Wasserflaschen und einem Moskitonetz bewaffnet los. Zuerst werden wir ein Dorf namens „Kalwaka“ besuchen und in den anderen beiden Tagen jeweils ein neues Dorf. Übernachten werden wir in einem kleinen Haus, welches in der Nähe liegt. Bei unserer Ankunft werden wir schon erwartet, nur mit mir hat anscheinend keiner gerechnet. Alle starren mich an und besonders die Kinder sind ganz aufgeregt. Wohin ich auch gehe, es folgt mir immer ein ganzer Haufen von Jungen und Mädchen auf Schritt und Tritt. Sie schauen mich mit offenen Mündern an und flüstern immer wieder „Nasara“, „Nasara“. Das ist More und bedeutet „Weiße“. Ein Mann erklärt mir, dass ich die erste Weiße bin, die die Kinder je in ihren Leben gesehen haben. Ich errege so viel Aufmerksamkeit im ganzen Dorf, dass es mir schon fast unangenehm ist. Ständig werden mir Essen und Geschenke angeboten, dabei habe ich doch nichts Besonderes getan. Ich sehe nur anders aus.

Wir verbringen fast acht Stunden im Dorf, bevor es dunkel genug ist, um den Film zu zeigen. Er wird mit einem Tageslichtprojektor auf ein großes weißes Tuch projiziert. Die Landschaft sieht hier ganz anders aus und es ist nicht so dreckig, wie in der Stadt.

Die Filmvorführung ist ein voller Erfolg. Zur Einstimmung gibt es Musik und anschließend wird noch viel auf More geredet. Ich verstehe kein Wort, aber ich kann mich zumindest vorstellen und nach dem Wohlergehen fragen. Unsere Unterkunft stellt sich als ein kleines dreckiges Gebäude heraus. Es gibt aber sauberes Wasser zum Waschen, welches draußen in Eimern steht. Die Toilette entpuppt sich als ein sehr winziges und stockdunkles Gebäude, in dem sich in der Mitte ein tiefes Loch befindet.

Die nächsten beiden Tage laufen ähnlich ab. Wir fahren früh am Morgen los und stellen uns bei unserer Ankunft im Dorf überall vor. Das dauert immer über drei Stunden. Wir besprechen unser Vorhaben mit dem Chef des Dorfes und zeigen am Abend den Film. Ich lerne viel über die Familien, die hier wohnen und den sehr einfachen Lebensstil auf dem Land kennen. Bevor wir nach Ouagadougou zurück kehren, verabschieden wir uns von allen und schlendern über den Markt.

Meine letzten Tage verbringe ich bei Frau Reikat. Ihre Familie ist sehr nett und wir besuchen zusammen eine Hochzeit von einer AMPO-Mitarbeiterin. Den Tag meiner Abreise verbringe ich mit den Menschen von AMPO, die ich nach so kurzer Zeit schon in mein Herz geschlossen habe. Hier herrscht ein starker Zusammenhalt und ich komme mir wie in einer großen Familie vor. Es wird mit so viel Motivation, Freude und Leidenschaft gearbeitet, was mich tief berührt. Ich werde diesen Monat niemals vergessen und bin mir sicher, dass ich irgendwann wiederkommen werde. Beim Abschied sind wir alle ein bisschen traurig. Die Kinder überhäufen mich mit kleinen selbstgebastelten Geschenken und umarmen mich. Ein letztes Mal singen wir zusammen. Danach muss ich gehen, aber ich weiß, dass es kein Lebewohl für immer sein muss.

 

Ich bedanke mich bei allen Menschen von AMPO und Sahel e.V. aus tiefstem Herzen. Sie haben mir diese außergewöhnliche Reise ermöglicht und mich immer unterstützt. Meine Erkenntnisse und Erfahrungen werde ich mit nach Deutschland nehmen und während meines freiwilligen sozialen Jahres in der Geschäftsstelle in Plön bestmöglich nutzen.

Katharina Iwen

Die Zuammenarbeit mit jungen Menschen ist uns sehr wichtig. Daher gibt es unter anderem die Möglichkeit beim Sahel e.V. ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland zu absolvieren. Dieses beinhaltet auch einen Aufenthalt bei AMPO, um unsere sozialen Einrichtungen in Burkina Faso kennenzulernen. Wer Interesse an einem FSJ bei Sahel e.V. hat, kann eine kurze Bewerbung an die Geschäftsstelle in Plön senden.
KONTAKT SAHEL E.V.
PRAKTIKUM BEI AMPO

 

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