AMPO Ouagadougou
Ouagadougou, ein harter aber herzlicher Posten!
Die Ehefrau des ehemaligen deutschen Botschafters berichtet über ihre Zeit in Burkina Faso
Lieblings-Posten ist vielleicht zu viel gesagt, aber ich möchte meine Erfahrungen in Ouagadougou von August 2020 - Juli 2023 nicht missen! Dieser Posten, unser erster Härte-Posten in unserer 30-jährigen diplomatischen Karriere, hat meine persönlichen Einstellungen zu vielen Dingen und zu mir selbst verändert!
Als wir im August 2020 nach Burkina Faso zogen, zogen wir in ein leeres Haus - und es war doppelt leer, denn es war unser erster Auslandsposten ohne Kinder. Die ersten 6 - 8 Wochen war ich beschäftigt heraus zu finden, wo ich einkaufen kann. Das war schwierig, denn das Land war zuvor wegen Corona drei Monate lang geschlossen gewesen und keine Güter kamen ins Land! Aber mit der Zeit füllten sich die Regale wieder.
Nachdem dann Ende November unser Umzug angekommen und wir das Haus eingerichtet hatten, stellte ich mir die Frage: Was tue ich mit meiner Freizeit? Schnell war mir klar: Ich möchte mich ehrenamtlich engagieren. Ich besuchte einer der größten NGOs vor Ort, "AMPO", gegründet von einer Deutschen. Sie freuten sich sehr, dass ich mich gemeldet hatte. Man gab mir die Aufgabe, unterernährte Kinder zu wiegen und zu messen. Easy dachte ich ... Selber habe ich vier Kinder großgezogen, das klingt nach einer sinnvollen Arbeit.
Am nächsten Tag fuhr ich mit klopfendem Herzen zu AMPO. Selbstzweifel überkamen mich, ob mein reaktiviertes Französisch für diese Aufgabe wohl ausreichend sei ... Ich betrat den Raum, wo ich tätig sein sollte, und 50 Frauen mit ihren süßen Kindern schauten mich fragend an, was ich denn hier wollte. Viele Kinder fingen auch gleich zu weinen an, denn eine Weiße hatten sie noch nie gesehen. Zum Glück hatte man mir eine Burkinabé zur Seite gestellt. Meine Befürchtungen bzgl. Französisch waren vollkommen unbegründet, denn die Frauen und Kinder verstanden gar kein Französisch, sondern nur Mooré, die Sprache der Mossi, der Hauptethnie in Burkina! Oje, mein Mooré war gleich null! Also lernte ich voller Motivation Mooré! Aber schnell merkte ich, dass man sich auch gut mit den Augen und mit Gesten verständigen kann. Aber wie bekomme ich das Vertrauen der Kinder, so dass sie keine Angst mehr vor mir haben? Das brauchte wirklich viel Zeit und Geduld. Nach 6 Wochen weinten die Kinder nicht mehr, wenn sie mich sahen und freuten sich auf mich. Nach dem Messen und Wiegen wurde den Kindern hochkalorienreicher Brei verabreicht und den Frauen eine große Reisschüssel mit einem Stück Fleisch - und ich schaut in viele strahlende Augen.
AMPO hat neben der großen Krankenstation auch noch eine Behindertenwerkstatt. Als ich mir dieses Projekt ansah, war ich sofort begeistert vom Elan der 10 körperbehinderten Männer, die dort arbeiteten. Sie hatten alle Kinderlähmung/Polio und waren auf ihre Rollstühle angewiesen. Was arbeiten sie? AMPO hat sie das Schweißen gelehrt und nun stellen sie selber Rollstühle, die mit einer Handkurbel zu bedienen sind, für andere körperbehinderte Menschen her. Pro Monat bis zu 50 Stück! Dafür schweißen sie, schneiden Bleche und biegen Rohre, bis ein solcher Rollstuhl fertig ist. Die Stimmung unter den Männern war so positiv, dass ich beschloss, mich auch dort einzubringen. Schnell lernte ich, wie ich ihnen am besten helfen konnte. Ich lernte auch das Schweißen, aber ihre Präzision habe ich nie erreicht. Also machte ich mich auch anderweitig nützlich. Ich fuhr mit dem Vorarbeiter der Werkstatt zu einer Metallmüllhalde in einem sehr armen Viertel, denn er brauchte irgendein Werkzeug. Als ich aus dem Auto ausstieg und den Rollstuhl mit dem Vorarbeiter zur Metallhalde schob, lasteten auf mich gefühlt alle Augen des Viertels. Was sucht eine Weiße hier, noch dazu eine Frau, und ein gehbehinderter Mann? Ich habe mich sofort in diesen dreckigen "Lost-Place" verliebt. Ich kaufte 20kg Altmetalle und dann? In der Werkstatt habe ich daraus auch meinen ersten Stuhl aus Schrott zusammengeschweißt. Sitzfläche: ein alter Tank eines Motorrades, Rückenlehne Bremsen eines Motorrades, als Stuhlbeine dienten alte Fahrradgabeln. Die Leiterin von AMPO war so begeistert, dass sie einen Großauftrag an die Werkstatt für den AMPO-Laden in Berlin in Auftrag gab. Es gab für mich keine schönere entspanntere Zeit, als mit diesen Männern meine Freizeit zu verbringen.
Die entspannte schöne Zeit sollte jedoch im Januar 2022 zu Ende gehen. Der erste weitgehend unblutige Militärputsch ereignete sich. Wir durften für 5 Tage unser Haus nicht verlassen. Was machte ich in dieser Zeit, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt? Ich griff mir eine Leinwand und Acrylfarbe und versuchte mich an meinem ersten Bild. Wow, das machte mir auch viel Spaß! Nach ein paar Tagen war das normale Leben in Ouagadougou wieder hergestellt und ich konnte auf den Markt und im Supermarkt alles kaufen wie vor dem Putsch. Und dann: nach 9 Monaten ein zweiter Militärputsch! Dieser lief zwar auch weitgehend unblutig ab, aber der Hass gegenüber v.a. Franzosen/Weißen war deutlich auf der Straße und auf den Märkten zu spüren. Die Französische Botschaft wurde demoliert und das Institut Français komplett zerstört. Was machen solche Militärputsche mental mit mir? Ich dachte erstmal: nichts ... aber nach drei Jahren in Burkina Faso (wir hatten sogar um ein Jahr verlängert), in denen wir die Hauptstadt Ouagadougou aus Sicherheitsgründen eigentlich nicht verlassen durften, doch eine ganze Menge! Bei jedem neuen Schuss - oft nur Übungen der Armee - dachte ich in den letzten Monaten dort an den nächsten Putsch ... Auf unserem neuen Post in Manila merkte ich erst, was es bedeutet, die Anspannung nicht mehr zu spüren. Hier kann ich mein wunderschönes neues Gastland bereisen und weiß, wenn ich Schüsse höre, dass es nur ein Feuerwerk sein kann.
Wären wir aber nicht nach Burkina Faso (das Land der aufrechten Menschen, wie Burkina Faso übersetzt heißt), diesen wirklich nicht einfachen Härte-Posten, hätte ich nicht so überaus positive Erfahrungen mit den Menschen vor Ort gemacht. Ich hätte mich und meine Talente nicht so entdeckt. Ich hätte keine Zeit in die Hobbys investiert, die ich dort so schätzen gelernt habe. In unserer Straße und auf den Märkten war ich bekannt, die Menschen grüßten mich, da mich durch AMPO viele Menschen kannten und ich immer versucht hatte, ein paar Brocken Mooré mit den Leuten zu reden. Mein Fazit über den Posten Ouagadougou: die Offenheit und Sympathie, die man in die Menschen steckt, bekommt man zu 100% wieder!